
Man trägt echt Briefe
zum gelben Kasten und
schiebt sie durch den Schlitz
hört sie fallen
und den dumpfen
Knall wenn sie unten ankommen
Doch der Absender ist schon
nicht mehr wer er morgen war
beim Schreiben
Text: Ruth Loosli
Logbuch der Insel von Rittiner & Gomez
Man trägt echt Briefe
zum gelben Kasten und
schiebt sie durch den Schlitz
hört sie fallen
und den dumpfen
Knall wenn sie unten ankommen
Doch der Absender ist schon
nicht mehr wer er morgen war
beim Schreiben
Text: Ruth Loosli
Gedichte
hängen
an
transparenten
Fäden
über den Wolken.
Text: Ruth Loosli
Der Wind streut mir Sand in
die Augen ich wechsle meine
Meinung.
Text: Ruth Loosli
Gedanken hängen in den Wolken.
Ich tausche ein offenes Meer
Für meinen letzten Gedanken
Ich will sehr still und sehr
Ins Blaue schwanken
Dass ich nichts verlasse
Wenn ich nicht mehr bin
Dass mich keiner hasse
Dass ich nichts vermisse
Wenn ich nichts mehr bin.
Fünfzehn Jahre bin ich auf der Insel geblieben, meine wahre Identität habe ich bis heute nicht preisgegeben.
Das unfertige Manuskript des Romans, den ich in meinem ersten Sommer auf der Insel fertigstellen wollte, liegt in der Schublade dieses Schreibtisches hier. Der Schreibtisch, an dem ich jetzt sitze, um das letzte Kapitel meiner eigenen Geschichte zu schreiben. Ich bin seit einiger Zeit zurück auf dem Festland, wo ich den Termin für meine nächste Operation abwarte.
Ob ich es jemals wieder auf die Insel schaffen werde?
Text: Susan Brandy
Zwei Jahre nach meiner Ankunft auf der Insel begann ich anhand meiner Notizen, den Tagebüchern und den kurzen Texten, die ich zu den Bildern des Alten verfasst hatte, eine Geschichte zu verfassen: die Geschichte der fliegenden Insel.
Die Arbeit am Katalog des Alten hatte ich fertiggestellt. Er
umfasste 52 Bilder und Texte. Ich hatte eine kleine Auflage davon produzieren lassen, welche nun im Bücherladen der Insel zu kaufen war. Den Bewohnern hatte ich ein Exemplar geschenkt.
Text: Susan Brandy
Das angefangene Manuskript lag auf der Kiste, in der ich die Tagebücher des Alten aufbewahrte. Als ich an einem regnerischen Morgen Ende Dezember erneut danach griff, gab auch der Widerstand gegenüber den Tagebüchern nach. Ich legte das Manuskript zur Seite, holte eines der Bücher hervor, schlug es vorne auf und begann zu lesen.
Nach dem ersten Drittel legte ich das Buch auf den Boden und holte das nächste hervor. So las ich kreuz und quer durch mehrere Bücher, ausgehungert nach seinen Erzählungen und realisierte, dass ich mich in jeder seiner Geschichten wiederfand.
Text: Susan Brandy
Ich fühlte mich wohl in meiner neuen Routine. Die langen Spaziergänge mit Bello, die regelmässigen Besuche des Hafen-Cafés, die Ausfahrten mit dem Boot zum Leuchtturm, – wenn der Nordwind sie zulassen sollte – und die Arbeit am Katalog. Ich begann, mich mit der Insel und ihren Bewohnern zu verbinden, sie waren mein neues Zuhause geworden.
Und auch wenn ich unbewusst auf einen weiteren Schicksalsschlag zu warten schien, verspürte ich diese neuen, kurzen Momente des Glücks.
Text: Susan Brandy
Die Albträume wurden weniger. Wenn mich trotzdem einer mit rasendem Herzen aus dem Schlaf schreckte, blieb ich lange im Dunkeln sitzen und hörte dem Hund zu, der in seinen Träumen oft leise winselte.
Meine Gedanken wurden klarer, doch die Flecken auf meinem Gedächtnis waren geblieben. Genauso wie der Sog, der von den Tagebüchern des Alten ausging, die in der Kiste im Atelier lagen.
Text: Susan Brandy
Bello begleitete mich auf meinen Streifzügen über die Insel und auf dem Ozean. Ich gewöhnte ihn an das Boot und nahm ihn mit, wenn ich zum Leuchtturm fuhr.
Bei der Frau des Bücherladens bestellte ich zwei Hunde-Ratgeber und versuchte mein Bestes mit dem Tier, was mir zu gelingen schien. Wenn ich die Bilder des Alten katalogisierte oder meine Notizen schrieb, lag er mir zu Füssen und döste.
Er freundete sich mit Lola und den zwei anderen Schafen an. Doch wenn ich ihn nicht im Auge hatte, jagte er sie mit freudigem Gebell aus dem Stall und trieb sie auf der Weide vor sich hin.
Text: Susan Brandy